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Halbzeit. Ein Zwischenfazit.

Veröffentlicht am 03.01.2016

Kaum zu glauben: Jetzt bin ich schon vier Wochen unterwegs. Zeit für eine Zwischenbilanz: Welche Ängste waren berechtigt, welche Hoffnungen hatte ich?

Vier Wochen. Und wie so immer kommt einem das doch gar nicht so lange vor. Oder doch, ein bißchen, denn ich habe mich eingelebt. Ich glaube, man muss irgendwo auch vier Wochen leben, mindestens, um einen Eindruck mehr als im Urlaub zu gewinnen. Also, mache ich mal ein Zwischenfazit. Einen Faktencheck sozusagen. Zunächst folgt meine Annahme, dann die Tatsache.

Du bist verrückt, so eine Reise zu machen.
Ja. Ist so. Aber wer mich kennt, weiß, ja, ich bin einfach ein bißchen verrückt und das ist gut so. Verrückter hingegen wäre es aus meiner Sicht, sein Leben immer nur starr zu leben und nicht die Welt zu bereisen, Dinge zu wagen, sein Leben zu leben. Wir haben nur eins. Und ich will viel erleben, viel sehen. Das habe ich einige Jahre vergessen durch das Studium und dann die Zeit rund um die Erkrankung und den Tod des wichtigsten Menschen meines Lebens. Meiner Mama. Jetzt nehme ich sie mit auf Reisen. 

Alleine durch Deutschland, Frankreich und Spanien zu reisen, gerade in dieser Zeit, ist gefährlich.
Nö. So ziemlich keine einzige gefährliche Situation habe ich bislang erlebt. Weder nachts allein auf Parkplätzen noch tagsüber. Ich parkte immer nah an den Toiletten, nie am Rand, hatte Pfefferspray dabei, immer mein Handy. Schnell auf Klo, schnell zum Auto zurück. Nie versteckt, immer da, wo auch andere Menschen waren. Das Auto hab ich auch immer so geparkt, dass es nie groß aus Sichtweite war oder an einer belebten Straße stand. Und wenn ich mit Ben unterwegs bin, hallo, wer käme da auf eine dumme Idee? Auch im Bezug auf die aktuelle Terrorsituation hatte ich kaum Einschränkungen. An der Grenze Deutschland-Luxemburg: Nix. An der Grenze Luxemburg-Frankreich: Einspurig ging es durch eine Polizeikontrolle, aber es wirkte nicht unheimlich oder bedrohlich. Ich grinste die Polizistin freundlich an. Nur an der Grenze Frankreich-Spanien kam es zu einem längeren Rückstau. Die LKWs standen hier Stundenlang zwischen Biarritz und San Sebastian. Auch ich stand gut 20 Minuten, und dann hielten mich die spanischen Polizisten an: Wo ich denn hin wolle. Nach Conil? Gute Reise. Weiter gehts. Grundsätzlich halte ich die französischen Rastplätze für die weltweit besten. Für die spanischen muss man abfahren, aber die sind auch okay, nur wenig Platz zum Gassigehen, das ist doof. Am dreckigsten hingegen sind die deutschen.

Mit einem Hund eine solche Fahrt zu machen ist machbar.
Stimmt. Mit Ben war es zumindest kein Problem, denn früh habe ich ihm beigebracht, das Autofahren was Positives ist. Er hat also null Probleme mit längeren Strecken. Dennoch bin ich immer relativ früh losgefahren damit es noch ein paar Stunden dunkel draußen ist und er schlafen kann. Tagsüber ist er dann doch etwas unruhiger und guckt dann immer wieder nach vorne nach dem Motto: Reicht jetzt? Können wir jetzt mal was unternehmen? In Frankreich war das Anhalten auch immer top. Wir konnten uns immer die Beine vertreten, was auch für Frauchen ja nicht schlecht war. Keine Rücken- oder sonstigen Schmerzen nach 2400 Kilometer. Etwa alle zwei bis drei Stunden habe ich eine Pause gemacht, habe mit dem Futterbeutel gespielt, damit Ben auch etwas Beschäftigung hatte. Außerdem wollte ich nie länger als 10 Stunden fahren, damit ich noch mit Ben länger spazieren gehen kann. Für die Übernachtungen hatte ich Futter, Decke, Näpfe und Spielzeug immer griffbereit. Und immer genug frisches Wasser. 

2400 Kilometer in drei Tagen: Du hast dir zuviel vorgenommen.
Jein. Es ist schon eine verdammte Strecke. Die sich doch zieht. Bis man in Luxemburg ist, durch Luxemburg durch. Man fährt und fährt und fährt. Zwischen 800 und 900 Kilometern hieß es täglich. Das werde ich auf der Rückfahrt etwas reduzieren. Da sollen es nicht mehr als 700 am Tag sein, vielleicht auch noch weniger. Wir werden sehen, vamos a ver…

Du wirst an den Mautstationen kläglich scheitern.
Zum Glück nicht - aber mein Puls ist jedes Mal in die Höhe geschellt, wenn wieder die Schilder kamen: Rappel, in 2000 Metern musst du blechen. In der geringstmöglichen Geschwindigkeit bin ich dann immer an die Station herangefahren. Und habe mir versucht, bei den ganzen roten Kreuzen, grünen Pfeilen und etlichen Symbolen eine Übersicht zu verschaffen. Zunächst habe ich mich nur an den Bargeldschalter gewagt. War teilweise lustig, hat nie große Probleme gegeben. Hinterher wurde ich mutiger und fuhr das erste Mal an einen Kreditkartenschalter. Zack rein, Pin eingeben, weiterfahren. Darauf hin habe ich eigentlich nur noch mit Kreditkarte bezahlt. Gescheitert hingegen bin ich an der Analyse, wann, warum und wieso so lange die Franzosen immer blinken. Immer. Ständig.

Dein Haus wird nicht so sein wie du es im Internet gesehen hast.
Nach der ersten Nacht in meiner Casita sagte Gabi, meine Vermieterin: „Du sieht erholt aus. Biste froh, dass alles so ist wie im Internet auch stand, was?“ Ja, die Angst fährt mit, wenn man so eine Strecke fährt und dann nicht weiß, ob man auch das erhält, was man sich versprochen hatte. Doch alles ist genau wie auf den Bildern und der Beschreibung. Nur toller. So richtig konnte ich es mir hier nicht vorstellen. Aber die Beiden hier sind super nett, kümmern sich, haben immer ein offenes Ohr. Das Haus von der Größe genau richtig: Nicht zu groß, nicht zu klein. Ok, Bett und Sofa sind was hart, und der Weg zum Auto steil, aber Bewegung tut gut und zum Schlafen bin ich ja nicht hier hin gekommen. Ben fühlt sich wohl, das ist doch auch wichtig. Auch wenn er mit Hofhund Sami nicht so gut klar kommt. :D

Wird die Gegend noch genauso schön sein wie ich es in Erinnerung hatte?
Was ist, wenn du nach Conil kommst, und du plötzlich enttäuscht bist? Dass deine Erinnerungen schöner sind als es in Wirklichkeit war? Je näher ich Conil kam, desto mehr dachte ich das. Doch schittepiepen: Es ist noch viel toller. Drei Mal war ich hier, 2000, 2001 mit Cille in der Sprachschule und 2002 mit meinen Eltern auf Kurzbesuch, als wir an der Costa del Sol Urlaub gemacht haben. Drei Mal kam ich zurück mit Koffern toller Erinnerungen. Und die, die ich dieses Mal mitnehme, reichen für ein ganzes Leben. Die Herzlichkeit der Menschen, vor allem meiner Familie Ramirez, diese Gegend ist einfach ein Traum. Schöner war es nirgends. Zu vergleichen mit meinem zweiten Highlight Florida. Ich komme wieder, vielleicht irgendwann für immer.

Wird es auf Dauer nicht doch einsam, so weit von zuhause weg zu sein?
Dank whatsapp, Facebook und co: Nein. Denn ich muss zugeben, auch wenn die Kontakte hier auch alle nett sind und ich viel unter Menschen bin: Mit nur einem Klick in Kontakt zu den Lieben zuhause zu sein erleichtert es doch ungemein, kein wirkliches Heimweh zu bekommen. Und dann kriegt man ja auch doch mal Besuch. Und ich weiß ja, dass es bald auch wieder zurück geht und ich dann die, die ich wirklich vermisse, auch ganz schnell wiedersehen kann. Ich muss aber auch sagen: Unter gewissen Umständen kann ich mir vorstellen, dass man woanders auch neu starten kann relativ schnell. Wenn es hier Jobs gäbe… ;-)

Der Alltag mit Hund in Spanien ist schwierig.
Jein. Das Leben mit Hund ist schon eine ganze Menge anders. Man kann ihn nicht mit in Bars und Restaurants nehmen, ein Auge zu drücken diese nur, weil sie alle Ben unheimlich hübsch finden und wenn wir draußen sitzen. Es gibt viele Straßenhunde, aber die sind weniger problematisch als befürchtet. Denn diese sind meistens sehr scheu und meiden den Kontakt. Etwas mehr aufpassen muss man bei den Campo-Hunden. Denn die streunen nicht umher, sondern die bewachen ihr Grundstück. Da kam dann meine Wasserflasche schon das ein oder andere Mal zum Einsatz, das hat meistens gereicht. Manchmal habe ich auch den schnellen Rückzug in Erwägung gezogen. Und zwei Mal rettete uns, dass wir schneller am Kofferraum waren und ich Ben schnell in Sicherheit bringen konnte vor den sehr wachsamen hütenden Schäfer-Hunden. Seitdem meide ich solche Bereiche auch weiträumig. Am Strand und in der Stadt hingegen sind die Hunde entweder nett, ganz gut erzogen oder an der Leine. Nur eine Rauferei mit einem Husky gab es am Strand. Es gibt außerdem viele Tierärzte und auch Tierläden. Und die spanischen Leckerchen findet Ben mega. Leider hatte er hier auch seinen ersten Wurmbefall, nach vier Jahren. Aber, sagte die Ärztin hier, hier ist es leider fast unmöglich, diese nicht zu bekommen. Aber wir haben ja genug Medizin zur Vorsorge dabei.

Du schaffst deine Studienarbeit nicht.
Meinem Plan bin ich natürlich wieder einmal hinterher. Das hat verschiedene Gründe.Da hat die Gesundheit einige Tage nicht mitgespielt, dann waren auch hier Feiertage, die ich dann auch lieber mit den Ramirez verbracht habe als am Rechner und dann das Sabbatical. Hier angekommen merkte ich nämlich relativ schnell, warum es mit der Studienarbeit bislang nicht geklappt hat: Ich war einfach leer. Unmotiviert. Demotiviert durch viele Ereignisse zuhause. Jetzt konnte ich soviel Motivation, Inspiration gewinnen. Einer Person habe ich das mit zu verdanken. Und deswegen bin ich jetzt auch ganz entspannt. Ja, ich arbeite an meiner Arbeit und ja, zuhause will ich mein Diplom angehen. Wie ich das finanziell schaffe, keine Ahnung. Aber das ist ein anderes Thema. ;-)